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Suizidprävention
Suizid­­prävention

Suizidprävention

Juli 2018

Eine Aufgabe der Suizidprävention ist es, Menschen in Krisen Halt zu bieten und auch die Angehörigen zu unterstützen. Im Magazin wird beschrieben, wie Suizidalität entsteht und welche präventiven Massnahmen im Kanton Zürich umgesetzt werden.
- Auf gutem Weg
- Krisen von Jugendlichen früh erkennen
- Vorbild Unfallprävention
- Umgang mit Suiziddrohungen
- Sterbewunsch und Depression

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Krisen von Jugendlichen früh erkennen

Suizidale Krisen werden oftmals nicht als solche erkannt, sondern als pubertäre  Stimmungs­schwankungen missverstanden. Früherkennung und das direkte Ansprechen sind für die Prävention von Jugendsuiziden zentral.
Text: Dagmar Pauli

Jugendliche

Jugendliche neigen in Krisen zu Selbstverletzungen, suizidalen Gedanken und suizidalem Verhalten. Dass solche Krisen bei Teenagern häufig sind, belegen auch die Zahlen einer Schülerbefragung aus dem Jahr 2007 / 2008. Bei dieser wurden Sekundar­schul­klassen in der Stadt Zürich befragt. Dabei hat sich gezeigt, dass sich über 20 % der Befragten mindestens ein Mal im Leben selbst verletzt haben. Auch bei den Suizidgedanken sind die Zahlen hoch, lassen jedoch deutliche Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen erkennen. Während 23 % der Mädchen in den letzten 12 Monaten daran gedacht haben, sich selber zu töten, sind es bei den Jungen knapp 9 % (vgl. Grafik unten). Die erhöhte Depressionsneigung der Mädchen beginnt mit dem Einsetzen der Pubertät. Sie ist folglich zumindest teilweise hormonell begründet. Auch sind Mädchen bei Problemen oft gefühlsbetonter und grüblerischer in ihren Bewältigungsstrategien als Jungen.

Depression oder pubertäre Schwankungen?
Diese Zahlen zeigen: Depressionen im Jugendalter sind keine Seltenheit. Jedoch wird die Krankheit oft nicht erkannt, da die Symptomatik wechselhafter und die Gefühlslage schwankender ist als bei Depressionen im Erwachsenenalter. Häufige Symptome im Jugendalter sind nebst Selbstverletzungen und Suizidalität Einbrüche mit verzweifelter und trauriger Stimmung insbesondere am Abend. Morgentiefs sind dagegen seltener als bei depressiven Erwachsenen. Bei Jugendlichen werden Depressionen oft als «pubertäre Schwankungen» verkannt; insbesondere bei Jungen, wenn sie mit aggressiver und gereizter Stimmung kombiniert sind.

Frühzeitig reagieren
Jugendliche, die suizidal sind, zeigen fast immer eine starke Ambivalenz. Sie suchen einerseits trotz ihrer suizidalen Gedanken Hilfe und Unterstützung, andererseits sind sie gegenüber Erwachsenen skeptisch und möchten ihre eigene Unabhängigkeit bewahren. Eine finale Suizidalität und Bilanzsuizide sind im Jugendalter äusserst selten. Daher ist die Früherkennung der Krise durch Bezugspersonen in Familie, Schule und das weitere soziale Umfeld entscheidend.

Alarmzeichen erkennen
Die Mehrzahl der vollendeten Suizide wird vorher angekündigt. So beinhaltet die Suizidalität meist einen Hilferuf, der ernst genommen werden muss. Dieser zeigt sich oft in sprachlichen und bildlichen Alarmzeichen. Dazu zählen Botschaften in sozialen Medien (z. B. in Chaträumen), verschlüsselte verbale Äusserungen wie «Eine Freundin von mir …» oder auch schriftliche Mitteilungen wie Abschiedsbriefe, die nicht selten bereits im Vorfeld eines Suizidversuchs von Angehörigen gefunden werden.

Direkt ansprechen
Jugendliche in der Krise brauchen eine direkte Ansprache, wobei Suizid­gedanken nicht tabuisiert werden dürfen. Die häufige Sorge von Bezugspersonen, dass Suizidgedanken durch das darüber Sprechen verstärkt werden könnten, bestätigt sich in der Praxis nicht. Im Gegenteil wird die Suizidalität eher geringer durch die Erleichterung der Jugendlichen, sich mit ihren Suizidgedanken jemandem anvertrauen zu können. Wichtig ist es, die Jugendlichen ernst zu nehmen und wiederholt Gesprächsgelegenheiten anzubieten (vgl. Box unten).

Abklärung der Suizidalität
In einem Gespräch soll geklärt werden, wie drängend die Suizidgedanken sind und ob bereits Suizidversuche erfolgt sind. Auch die Einbettung in soziale Netzwerke spielt eine Rolle, da sich unter Jugendlichen eine gefährliche Gruppendynamik entwickeln kann: Hat er oder sie Kontakt mit anderen, die auch suizidal sind? Wie konkret sind die Suizidpläne und was hält sie/ihn davon ab? Gibt es jemanden, mit dem die betroffene Person sprechen kann, und jemanden, der helfen kann? Durch genaues Rückfragen im Gespräch wird deutlicher, wie stark die Krise ist. Jugendliche mit ernsthafter Suizidalität bedürfen fachlicher Hilfe. Je schneller diese vermittelt werden kann, desto eher kann die Krise ambulant aufgefangen werden.

Dr. med. Dagmar Pauli
Chefärztin, Stv. Klinikdirektorin
Psychiatrische Universitätsklinik Zürich
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
und Psychotherapie KJPP
Tel. 044 499 26 26
dagmar.pauli(at)puk.zh.ch

Ins Gespräch kommen

Benutzen Sie Ich-Botschaften.
«Ich habe beobachtet, dass du in letzter Zeit abwesend gewirkt hast. Ist irgendetwas los?» «Mir ist aufgefallen, dass du seit einiger Zeit nicht mehr so fröhlich wirkst, und da habe ich mir Sorgen gemacht, ob es dir nicht gut geht.»

Nehmen Sie Äusserungen der Jugendlichen ernst.
«Das hat ja sowieso alles keinen Sinn mehr für mich …» «Ich habe einfach keine Lust mehr auf das alles hier …» «Bald seid ihr mich sowieso los …»

Fragen Sie konkret nach Suizidalität.
«Das klingt sehr belastend. Hast du in dieser schwierigen Situation denn schon mal daran gedacht, dass du gar nicht mehr leben willst?» «Deine Situation ist nicht einfach. Ich kann gut verstehen, dass du manchmal sehr verzweifelt bist. Ist es denn schon mal so weit gegangen, dass du dir sogar etwas antun wolltest?»

Bleibt die Krisensituation nach dem direkten Ansprechen akut oder unklar, sollte das Thema mit weiteren Bezugspersonen besprochen werden. Je nach Situation macht es Sinn, die Eltern einzubeziehen. Auf keinen Fall sollte der oder die Jugendliche alleine gelassen werden. Es ist sinnvoll, auch externe Fachstellen wie Jugendberatungsstellen oder den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Notfalldienst zu konsultieren (043 499 26 26).