«Ich will schon mehr Zeit mit meinem Kind verbringen als mein eigener Vater. Sonst müsste ich ja keine Kinder haben.» Sieben Männer sitzen an diesem Freitagnachmittag im Spital Olten in einer Runde. Zum Einstieg besprechen sie in Zweiergruppen die Frage: Wie will ich sein als Vater? Die Antworten sind unterschiedlich, aber haben doch einen gemeinsamen kleinsten Nenner – «Da» wollen sie sein für ihr zukünftiges Kind, präsente Väter wollen sie sein, zeitlich und emotional. Während des Austausches geben die Männer eine Babypuppe in Echtgrösse herum und probieren verschiedene Haltepositionen aus. Längst nicht jeder hatte schon mal ein Baby im Arm.
Vorbereitung lohnt sich
Seit 2020 ist die Väterrunde ein fixer Bestandteil der Geburtsvorbereitungskurse, die das Spital Olten für Paare anbietet. Ziel ist es, dass werdende Väter die Herausforderungen, die auf sie zukommen, realistisch einschätzen können und so Sicherheit gewinnen. Die Inputs durch den Kursleiter und der Austausch tragen dazu bei, zu verstehen: Vaterschaft verändert mich. Auch in meinen bestehenden Beziehungen und Rollen. Deshalb muss ich mich frühzeitig mit der Frage auseinandersetzen, was für ein Vater ich sein will. Das Angebot gehört zum Projekt Niudad, das so die involvierte Vaterschaft fördern will. Initiiert wurde es von männer.ch, dem Dachverband der progressiven Schweizer Männer- und Väterorganisationen. Durch eine gute Vorbereitung verringert sich das Risiko, dass Väter in der Übergangszeit zur Elternschaft unter Stress leiden, in ein Burnout geraten oder häufiger Alkohol oder Drogen konsumieren.
Wie kann der Alltag mit Kind aussehen?
Klassischerweise steht in Geburtsvorbereitungskursen im Vordergrund, was Mutter und Kind brauchen, um die Grenzerfahrung Geburt so gut wie möglich zu meistern. Doch auch Väter haben rund um die Geburt viele Fragen. Die meisten davon drehen sich um das Ankommen in der neuen Situation: «Wie spüre ich, was das Baby braucht?», «Wie bleiben wir auch als Eltern ein Liebespaar?», «Wie bringe ich Job und Familie unter einen Hut?» Die Väterrunden bieten einen Raum, in dem solche Fragen mit einem erfahrenen Vater besprochen werden können. Das Ziel ist nicht, allgemeingültige Antworten zu finden, sondern zu klären, wie jeder sich das neu zu sortierende Leben vorstellt. Im Gespräch zeigt sich, dass viele werdende Väter auch ganz grundsätzliche Fragen noch kaum reflektiert und besprochen haben. Hier motiviert der Kursleiter, diese aufzuschreiben und bewusst anzugehen.
Ab und zu ist auch ein Realitycheck nötig. Denn eine beliebte Strategie unter Männern lautet: «Ich bleibe entspannt und lass es mal auf mich zukommen.» So sagt ein Teilnehmer an diesem Freitagnachmittag: «Ich finde eigentlich, es sollte sich nicht viel ändern. Wir werden weiterhin unser Leben und unsere Hobbys haben, einfach mit dem Baby dabei.» Hier versucht der Leiter mit ein paar Fakten darauf hinzuweisen, dass dieses Bild etwas gar blauäugig ist. Er verweist dafür etwa auf eine Studie, die berechnet, wie viel Arbeit mit einem Baby anfällt. Mit Wickeln, Stillen, Waschen, Spielen, in den Schlaf wiegen etc. kommt man auf ca. 40 Stunden pro Woche – so viel wie ein zusätzlicher Vollzeitjob. Sein Tipp: «Man muss sein altes Leben nicht aufgeben, aber priorisieren, was man weiterhin machen will und wo man reduziert.».
Indem die Kurse die bewusste Auseinandersetzung mit dem Vaterwerden fördern, tragen sie zu einem besseren Kräftemanagement bei. Ausserdem werden die Väter motiviert, schon frühzeitig mit Partnerin und Arbeitgeberin zu klären, wie sie die neue Lebensphase organisieren. Das stärkt nicht nur die Väter, sondern die ganze Familie.
Autor
Thomas Neumeyer
Leiter Betrieb und Kommunikation männer.ch
neumeyer(at)maenner.ch